Am 1. Oktober 1970 betrat Janis Joplin das Studio von Sunset Sound Recorders in Los Angeles – Southern Comfort (Bourbon) in der einen Hand, einen mit Kugelschreiber hingekritzelten Text in der anderen. Gemeinsam mit dem Beat-Poeten Michael McClure hatte sie „Mercedes Benz“ nur wenige Tage zuvor geschrieben – eine sarkastische Hymne auf Konsumgier und spirituelle Leere. Es sollte ihr letzter Song werden. In einer einzigen, rohen, unbegleiteten Aufnahme brachte Joplin den Track auf Band – ohne Musik, nur ihre raue, eindringliche Stimme, die durch den Raum hallte. Die Aufnahme wurde zur finalen Version. Drei Tage später war sie tot.

Die Nacht vor ihrem Tod verbrachte sie in Barney’s Beanery, einer Bar am Santa Monica Boulevard, berüchtigt für ihre illustre Klientel – darunter auch Jim Morrison, dessen Geist dort ebenfalls zu spüren war. Freunde erinnern sich an eine gut gelaunte, trinkfreudige Janis, die lachte, redete und – wie so oft – eine grosse Leere hinter ihrer Fassade verbarg.

Joplins Leben war eine stürmische Mischung aus Schmerz, Rebellion und ungezähmter Kreativität. Aufgewachsen im konservativen Port Arthur, Texas, wurde sie früh zum Aussenseiter – verspottet wegen ihres Aussehens, ihrer Stimme, ihrer Liebe zum Blues. Die Highschool war ein Kampfplatz, die Universität kaum besser. Ihre ersten Texte handelten vom Fremdsein, von Einsamkeit und vom Rausch als Zuflucht.

1963 trampte sie nach San Francisco, wo sie sich der aufkeimenden Folk- und Blues-Szene anschloss. Ihre Stimme – rau, ehrlich, frei – war eine Offenbarung, doch auch hier holten sie die Geister ein: Speed, Southern Comfort und ein destruktiver Lebensstil trieben sie körperlich wie seelisch an den Rand. Freunde holten sie zurück nach Texas – ein Versuch zur Rettung.

Doch Kalifornien liess sie nicht los. Mit Big Brother and the Holding Company feierte sie 1967 beim Monterey Pop Festival ihren Durchbruch – ein Moment, der sie schlagartig zur Ikone machte. Später folgten die Kozmic Blues Band und schliesslich ihre letzte Formation, die Full Tilt Boogie Band – musikalisch reifer, aber innerlich zerrissener denn je. Ruhm und Applaus konnten die innere Leere nicht füllen.

Am 4. Oktober 1970 starb Janis Joplin im Landmark Motor Hotel (heute: The Highland Garden Hotel) an einer Überdosis Heroin – mit nur 27 Jahren. Ihr letztes Album „Pearl“, wenige Monate später veröffentlicht, wurde posthum zum Meilenstein. Der a cappella-Song „Mercedes Benz“ blieb als bittersüsser Abgesang einer Frau, deren Stimme lauter war als ihr Schrei nach Hilfe.

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